Eine unerwartete Frage

Wieder einmal im heimatlichen Pommern, zum zehnten Mal übrigens seit Kriegsende.  Und natürlich wieder inP1050550 Rowe. Zwei Wochen Erholung in der gesunden Ostseeluft unter dem hohen Himmel Pommerns. Wanderungen in den Strandwäldern und am Garder See, den Rewekol als fernen Begleiter. Sonnige Junitage am Strand mit Abkühlung im noch kalten Wasser.

Die erste Woche vergeht in Einsamkeit. Ich nutze sie zum Malen, will die Ansichten der Heimat so fixieren, wie  sie  meine Augen sehen,  wie ich sie mit all meinen Sinnen empfinde. Bald schon schmücken die Wände meines ZimmerSteilküste Rowe 12s Aquarelle mit Motiven der Umgebung von Rowe. Meine Freunde werden sie als kleine Kunstwerke bewundern, während ich am fertigen Bild stets noch viel auszusetzen habe. Ja  freilich, mit Pechsteins Bildern lassen sie sich nicht vergleichen. Kunst hin, Kunst her – in diesen Bildern spiegelt sich schließlich meine Liebe zur Heimat wider.

Da ist auch schon die Woche des Alleinseins vorüber. Ich hole die Fine SchirmEnkelin Josephine in Stolp vom Fernbus aus Wiesbaden ab. Ein freudiges Wiedersehen auf dem Fleckchen Erde, das Josephine seit Jahren als die Heimat ihrer Vorfahren interessiert. Jetzt werden Großvaters Erzählungen von früher lebendig werden, bekommen neben ihrem Inhalt nun auch Form und Gestalt, was Menschen und Landschaft betrifft.

Ich bin froh, Josephine eine unbeschwerte Urlaubswoche in dem schönen Ambiente des Kormoran-Hotel bieten zu können, freue mich sehr, sie das Ferienmilieu meiner Kindheit erleben zu lassen und ihr meine Heimatstadt Stolp zeigen zu können. Voller Interesse nimmt sie alles auf, was ich ihr erzähle; fragt, was sie nicht weiß; läßt sich erklären, was sie nicht versteht. Ich bin stolz darauf, dass sie unser Beisammensein nützt, möglichst viel über die Heimat der Großeltern zu erfahrP1020796en. Noch nie ist mir selber die Vergangenheit so lebendig geworden wie unter dem Eindruck unserer Großvater-Enkelin-Gespräche, die auch über persönliche Schicksale hinausgehen und schließlich bei Josephine eine Frage auslösen, die mich zunächst sehr betroffen macht:

„Großvater, haben damals hier wirklich keine Polen gelebt in Pommern?“   Ich kann bei nüchterner Betrachtung meiner Enkelin diese Frage nicht einmal verdenken, und Josephine bildet  – was die Geschichtskenntnisse betrifft – in ihrer Generation bestimmt keine Ausnahme. Weiß ich doch aus Gesprächen im Bekannten- und Freundeskreis mit viel älteren Menschen nur zu gut, dass über die nach dem Krieg verlorenen deutschen Länder und das Schicksal der aus diesen Gebieten vertriebenen Menschen gewöhnlich sehr unklare – wenn überhaupt – Vorstellungen bestehen. Zeitzeugen gibt es nur noch wenige, und gleiches Unrecht hat sich in der jüngeren Vergangenheit in anderen Teilen der Welt vielmals wiederholt. Für mich war die Frage Josephines jedenfalls das Signal,  mehr dafür zu tun, damit unsere Heimat Pommern auch unter unseren Nachkommen nicht so bald in Vergessenheit gerät. Geschichtswissen ist unerläßlich, sollte jedoch mit emotionalem Erleben in Form persönlicher Erinnerungen gepaart werden. Damit sollten wir nicht säumen, denn uns Zeitzeugen wird es bald nicht mehr geben. Unsere Nachkommen, siehe Josephine, werden uns dafür dankbar sein.Fine und ich